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Völkerwanderungszeit im Karpatenbecken

Es zeichnen sich Veränderungen der Ernährungsweise im Laufe der Zeit ab, die vor allem durch wechselnde Anteile an Hirse und tierischen Nahrungsmitteln bestimmt waren.

  • Laufzeit: 01.06.2016 - 31.05.2020
  • Partner: Eötvös Loránd Universität

Mobilität und Bevölkerungswandel im Karpatenbecken vom 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr: Veränderungen von Gesellschaft und Identität

Das Karpatenbecken ist eine Schlüsselregion zur Erforschung der europäischen Völkerwanderungszeit. Schriftquellen überliefern eine komplexe Abfolge von Gruppen des 5. bis 7. Jh. n. Chr., darunter Hunnen, Awaren, Goten, Gepiden und Langobarden sowie Vertreter der früheren römisch-pannonischen und möglicherweise auch byzantinischen und slawischen Bevölkerung. Auch die archäologischen Quellen, vor allem die oftmals sehr reich ausgestatteten Gräberfelder, offenbaren räumliche Gruppierungen und Veränderungen im Laufe der Zeit.

Beteiligte Personen: Dr. Tivadar Vida, István Koncz, Dr. Szofia Racz, Dr. Katalin Wolff, Dr. Tamás Hajdu, Tamás Szeniczey (Eötvös Loránd Universität Budapest), János G. Ódor (Wosinsky Mór Museum, Szekszárd), Balázs G. Mende (Hungarian Academy of Sciences, Budapest), Katalin I. Pap (Savaria MHV Múzeum, Szombathely)

Diese sollten allerdings nicht pauschal mit historisch überlieferten Bevölkerungseinheiten verbunden werden, denn ethnisch-kulturelle Gruppen waren durchaus dynamisch und flexibel. Außerdem mögen sich die spärlichen Schriftquellen eher auf die Führungsschicht und Militärverbände als auf im Alltagsleben miteinander verbundene Gemeinschaften von Frauen, Männern und Kindern beziehen sowie Veränderungen der materiellen Kultur durch andere Gründe als das Wandern von Personenverbänden bedingt sein.

Um die Rolle von Mobilität im Alltagsleben und Veränderungen der Lebensweise der Menschen im Laufe der Völkerwanderungszeit zu untersuchen, fördern die Deutsche Forschungsgemeinschaft (KN 1130/4-1) und die Ungarische Wissenschaftsförderung OKTA ein interdisziplinäres deutsch-ungarisches Projekt, das archäologische Fund- und Befundauswertungen mit umfangreichen stabilen Isotopenanalysen verbindet. Strontium- (87Sr/86Sr) und Sauerstoff-Isotopenanalysen (δ18O) an Zahnschmelz zeigen eine ortsfremde Herkunft von Personen an, während Kohlenstoff (δ13C) und Stickstoff-Isotopendaten (δ15N) Ernährungsgewohnheiten reflektieren. An Knochen und Zähnen von über 400 menschlichen Individuen von sechs Gräberfeldern sowie an tierischen Vergleichsproben wurden knapp 1500 einzelne Analysen durchgeführt.

Report

Während die Vergleichsdaten sowohl bezüglich der Strontium- als auch der leichten stabilen Isotopendaten die Einheitlichkeit des Arbeitsgebietes in Raum und Zeit widerspiegeln, zeigen die Analyseergebnisse der menschlichen Proben eine erstaunliche Variabilität. Es zeichnen sich Veränderungen der Ernährungsweise im Laufe der Zeit ab, die vor allem durch wechselnde Anteile an Hirse und tierischen Nahrungsmitteln bestimmt waren. Auch Wohnortwechsel waren für die Menschen über den Untersuchungszeitraum hinweg von sehr unterschiedlicher Relevanz. So identifizieren die Isotopendaten der Bestattungen des fünften und sechsten Jahrhunderts erhebliche Anteile ortsfremder Individuen, wohingegen diese während des 7. Jahrhunderts eher Ausnahmen waren.

Einen besonderen Stellenwert hatte bislang die Auswertung der archäologischen Hinterlassenschaften und der Ergebnisse der Isotopenanalysen des ins 5. Jh. datierenden Gräberfelds von Mözs im südlichen Ungarn. Über die Hälfte der dort bestatteten Individuen hatte durch Bandagierungen während der Kindheit künstlich deformierte Schädel. Dabei häuft sich der Brauch unter ortsfremden Personen mit einer ähnlichen Ernährungsweise und archäologischen Gemeinsamkeiten, wie der Beisetzung in Absatz- oder Nischengräbern. Diese Menschen gehörten jedoch nicht zur Gründergeneration, sondern schlossen sich erst später der Gemeinschaft an und beeinflussten diese nachhaltig. Das Gräberfeld zeugt exemplarisch vom Verschmelzen unterschiedlicher kultureller Traditionen und von der Komplexität der historischen Abläufe während der Völkerwanderungszeit.

Eine integrierende Datenauswertung zur Rekonstruktion der Geschichte des Gräberfeldes sind in der online-Zeitschrift PLoS ONE publiziert:

Corina Knipper, István Koncz, János Gábor Ódor, Balázs G. Mende, Zsófia Rácz, Sandra Kraus, Robin van Gyseghem, Ronny Friedrich, Tivadar Vida. 2020. Coalescing traditions – coalescing people: Community formation in Pannonia after the decline of the Roman Empire. PLoS ONE.